Elternunterhalt droht ? Vorbeugende Maßnahmen
Vorbeugung ist wichtig
Nach einer Berechnung des statistischen Bundesamtes wird im Jahr 2050 jeder Dritte in Deutschland 60 Jahre oder älter sein. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir auch gesünder sind, so dass mit zunehmendem Alter das Risiko steigt, zum Pflegefall zu werden. Oft reichen die eigenen Mittel älterer Personen (Rente und gesetzliche Pflegeversicherung) nicht aus, um die hohen Kosten in einem Pflegeheim zu decken. Dann muss das Sozialamt zahlen, prüft aber, ob unterhaltspflichtige Kinder zurückzahlen müssen Für die erwachsenen Kinder besteht die Problematik, selbst noch für die eigene Kinder sorgen zu müssen, weil diese sich z. B. in Ausbildung oder Studium befinden. Zusätzlich müssen z.B. der Abtrag der eigenen Immobilie, Versicherungen, eigener Lebensunterhalt, eigene Altersvorsorge bedient werden. Bevor der Pflegefall eintritt sollte man an folgendes denken:
1. Vorsorgevollmacht erstellen. Bei Pflegebedürftigkeit muss schnell ein Antrag auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung gestellt werden. Ist der Berechtigte dazu aufgrund eines Schlaganfalls oder Demenz nicht mehr in der Lage, vergeht wertvolle Zeit bis gerichtlich ein Betreuer bestellt wird. Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, kann der Bevollmächtigte den Antrag stellen.
2. Vermögen der Eltern überprüfen Schenkungen der Eltern können z.B. noch nach bis zu 10 Jahren zurückgefordert werden
3. Eigene Ausgaben strukturieren Das Sozialamt muss notwendige Ausgaben vom Einkommen abziehen, sofern sie keinen Luxus darstellen.
4. Eigenes Vermögen schützen Reicht das eigene Einkommen nicht aus, muss auch das vorhandene Vermögen für den Unterhalt der Eltern eingesetzt werden. Teile des Vermögens unterliegen einem besonderen Schutz, z.B. die selbst bewohnte Immobilie und Vermögen für die eigene Altersvorsorge. Die Beträge sind individuell zu berechnen nach dem Alter und Einkommen der Beteiligten (BGH Urteil v. 30.08.2006) Az.: XII ZR 98/04). Behörden rechnen oft mit pauschalen Beträgen, die allerdings zu niedrig sein können.
Grundlagen der berechnung:
Schritt 1. Eine Inanspruchnahme erfolgt ab dem 01.01.2020, wenn das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes über 100.000,– € brutto im Jahr der Inanspruchnahme liegt. Nach abzug der Werbungskosten und der Betreuungsaufwendungen für Kinder nach einkommenssteuerlichen Grundsätzen müssen 100.000,– € verbleiben.Gesetzlich gilt die Vermutung, dass ein Kind weniger verdient, d.h., das Sozialamt darf nur Auskunft fordern, wenn es darlegen kann, auf welche konkreten Anhaltspunkte die Vermutung eines höhren Einkommens gestützt wird.
Schritt 2: Ist die Hürde der 100.000,– € -Grenze genommen, wird nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen gerechnet. Grundlage sind zunächst alle Einkünfte einschließlich Urlaubsgeld, Überstundenvergütung, Weihnachtsgeld und Steuerrückerstattungen. Zeitlich werden die letzten 12 Monate zugrunde gelegt; bei Selbstständigen ein Zeitraum von 3 Jahren. Die Sozialämter berücksichtigen auf der Einnahmenseite, unter anderem
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Kapitaleinkünfte, also z.B. Zinsen und Dividenden
- Feiertagsvergütungen, Prämien, Gratifikationen, Spesen, Abfindungen, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
- Renten
- Sachbezüge wie Dienstwagen oder Werksrabatte
- Einnahmen aus Beteiligungen an Gesellschaften, Ausschüttungen, etc.
- Krankengeld, BAFöG, Arbeitslosengeld, Unfallrente
- Steuerrückerstattungen
- Steuervorteile infolge aus Abschreibungen oder aus Steuerfreibeträgen.
- bei Wohnen im Eigentum: Geldwerter Vorteil für ersparte Miete
Wer Einnahmen hat, darf natürlich auch grundsätzlich notwendige Ausgaben gegenrechnen. Die wichtigsten sind:
- Steuern und Sozialabgaben
- Krankenversicherung, Unfallversicherung
- Berufsbedingte Aufwendungen wie z.B. Gewerkschaftsbeiträge und Fahrtkosten (bei PKW-Fahrten pro gefahrenem km 0,30 Euro bei 220 Arbeitstagen pro Jahr).
- Direktversicherung
- Lebensversicherungsbeiträge
- Mehraufwendungen bei Krankheiten z.B. für Diät, Arztfahrten, Medikamentenzuzahlungen etc.
- Schulden (Zins- und Tilgung), wenn sie entstanden sind, bevor das Sozialamt sich gemeldet hat.
- Kinderbetreuungskosten
- Kindesunterhalt, wobei die Sätze der Düsseldorfer Tabelle die Untergrenze darstellen. Kinder kosten in der Regel mehr, als die Regelsätze der Unterhaltstabelle hergeben.
- Sparen für die eigene Altersvorsorge in Höhe von 5 % des Bruttoeinkommens, ebenso für Familienangehörige im Wege der privaten Vorsorge, Riesterrente, etc. Auch das Sparen auf eine eigene Immobilie als Altersvorsorge ist anerkannt
- Altersvorsorgeaufwendungen in weiterem Rahmen, wenn z.B. durch eine frühe Scheidung sich die eigene Altersversorgung reduziert hat (Stichwort: Versorgungsausgleich ). Auch im Alter muss als Rente der Mindestsatz von 75 % des Erwerbseinkommens gewährleistet sein, sonst ist diese Versorgungslücke vorrangig vor dem Elternunterhalt zu schließen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die eigene Altersvorsorge vorgeht.
- Reparaturrücklagen für die selbst genutzte Immobilie. Es empfiehlt sich, hier keine pauschalen Angaben zu machen, sondern z.B. durch Kostenvoranschläge Höhe und Notwendigkeit der Ausgaben zu dokumentieren
- Vermögenswirksame Leistungen
Wer es versäumt, vollständig und unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeiten seine tatsächliche wirtschaftliche Situation transparent zu machen, ist der Bewertung der Sozialbehörde ausgeliefert und wird sich sehr schnell einer ihm nicht genehmen Definition des Begriffs „Luxus“ ausgesetzt sehen. Es ist aufschlussreich, dass oft der Platz in den Vordrucken nicht ausreicht, um alle tatsächlichen Ausgaben aufzuführen.
Ist das Vermögen sicher?
Grundsätzlich ist Unterhalt aus dem Einkommen zu zahlen. Nur wenn das Einkommen nicht ausrreicht denken die Behörden und Gerichte darüber nach, die Verwertung von Vermögen zu fordern. Zulässig ist dies aber nur, soweit die Verwertung des Vermögens zumutbar ist. Grundsätzlich unantastbar sind Vermögenswerte, die als sogenanntes Schonvermögen einzustufen sind. Dazu gehören:
- die selbst bewohnte Immobilie – sie muss unter keinen Umständen verwertet werden
- eine „eiserne Reserve“ für Notzeiten – entsprechend drei Monatseinkommen
- Rücklagen, z.B. für Ausbildung und Studium der Kinder
- das Altersvorsorgevermögen, welches beispielsweise mit 5 % des Lebensbruttoeinkommens aufgezinst mit einem Zinssatz von 5 % berechnet werden kann. Wenn sich durch eine Versorgungslücke ( z.B. wegen langer Arbeitslosigkeit, Scheidung, etc.) ein höherer Bedarf ergibt, so muss dieser im Einzelfall geltend gemacht werden
- Sparvermögen, soweit es für die Anschaffung eines Ersatzes für bereits vorhandene Vermögenswerte dienen soll, z.B. Rücklagen für einen neuen Pkw
- Unzumutbar ist die Verwertung von Gemeinschaftsvermögen (gemeinsames Haus von Eheleuten, Erbengemeinschaft)
- Vermögen des Schwiegerkindes darf nicht herangezogen werden (das eheliche Güterrecht bietet für diese Fälle bei frühzeitiger Beratung einen erheblichen Gestaltungsspielraum)
Die Sozialämter sind nicht sehr freigiebig, wenn es darum geht, die Notwendigkeit solcher Rücklagen anzuerkennen. Es lohnt sich jedoch, sich dagegen zu wehren. Wer rechtzeitig in einer für Gericht und Sozialamt nachvollziehbaren Weise seine Vermögenswerte (und die des Ehepartners) strukturiert, hat die Chance, einen großen Teil seines Vermögens zu schützen.
Schritt 3: Liegt das verbleibende Einkommen oberhalb der Freibeträge (Selbstbehalte), ist Elternunterhalt zu zahlen.Derzeit gehen die meisten Unterhaltsrechtlichen Leitlinien von dem (Mindest-)Selbstbehalt eines Alleinstehenden i.H.v. 2.000 € und bei Ehepartnern von 3.600 € aus.
Nach der von uns vertretenen Ansicht ist im Kontext der ab 01.01.2020 geltenden gesetzlichen Regelung dieser Schutz vor Elternunterhalt weitaus zu gering. Daher setzen wir uns bei den von uns vertretenen Fällen dafür ein, dass für einen Alleinstehenden mindestens ein Selbstbehalt von 5.500 € und für Ehepartner mindestens 9.900 € monatliches Einkommen vor dem Zugriff auf Elternunterhalt geschützt sind. Weil das Gesetz erst seit Jahresanfang in Kraft ist gibt es hierzu noch keine Rechtsprechung, sodass viel Raum für individuelle Argumentation besteht.
Es gibt nicht nur nette Eltern
Wenn die Beziehung zu den Eltern schlecht ist, belastet die Inanspruchnahme um so mehr. Danach fragt das Sozialamt aber nicht. Entsprechende Einwände muss der Betroffene selbst vorbringen. Wie jeder andere Unterhaltsanspruch kann auch der Elternunterhalt der Verwirkung unterliegen. Gesetzlich sind die Gründe wie folgt geregelt:
§ 1611 Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
Es handelt sich um Einwendungen aus dem Bereich des Unterhaltsrechts, die sich auch das Sozialamt entgegenhalten lassen muss. In der Praxis bestehen Schwierigkeiten, die Voraussetzungen nachzuweisen, weil möglicherweise nach den Verfehlungen viele Jahre vergangen sind.
Das sittliche Verschulden der Eltern muss von erheblichem Gewicht sein. Die Rechtsprechung hat als Beispiele genannt:
- Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit ohne ausreichende Therapiebemühungen, ebenso Spielsucht
- Unterlassen eigener angemessener Altersvorsorge trotz bestehender Möglichkeiten
- vollständiger Abbruch des Kontaktes zu dem in Anspruch genommenen Kind
- Verlust jeglicher Beziehung
- Vernachlässigung
- Verletzung eigener Unterhaltspflichten gegenüber den jetzt in Anspruch genommenen Kindern
- Schwere vorsätzliche Verfehlungen gegen die Kinder oder andere nahe Angehörige (im wesentlichen schwere Straftaten)
Wenn festgestellt wird, dass ein Tatbestand vorliegt, der zur Verwirkung führt, kann dies zur Reduzierung oder zum völligen Ausschluss des Unterhalts führen. Voraussetzung dafür ist, dass die Inanspruchnahme des zum Unterhalt Herangezogenen grob unbillig wäre.Die bisher zu diesem Thema ergangene Rechtsprechung behandelt immer besondere Einzelfälle, so dass eine generelle Linie sich schwer feststellen lässt. Als Trend kann man sagen, dass die Rechtsprechung mit der Verwirkung des Unterhaltes sehr zurückhaltend umgeht und nur in ganz schweren Fällen den Unterhalt versagt.
Tipp: Eine erfolgversprechende Argumentation sollte sich niemals allein auf die Frage der Verwirkung verlassen, sondern insbesondere die wirtschaftliche Grundlage der Unterhaltsberechnung sehr sauber aufbereiten. Entweder ergibt sich dann schon, dass aus wirtschaftlichen Gründen ein Unterhaltsanspruch nicht gegeben ist, oder man erleichtert dem Gericht die Entscheidung: Wenn es einem Bedürftigen 50,00 € monatlich an Unterhalt versagen soll, wird es sich leichter tun, als wenn es sich um 500,00 € handelt. Zu warnen ist vor der Vorgehensweise, sich nur auf die Verwirkung zu stürzen in der Hoffnung, dass man dann keine Auskunft erteilen müsse. Diese Hoffnung kann in der Realität zu einer Bauchlandung führen, weil man die Chance vertan hat, wirtschaftlichen Grundlagen nachvollziehbar darzustellen. Da es sich bei der Verwirkung um eine Billigkeitsabwägung handelt, wird nämlich die Schwere des Vorwurfs auch in Relation zu der Höhe des Anspruchs gesehen.
Urteile zum Thema Verwirkung Elternunterhalt
Amtsgericht Helmstedt Urteil vom 04.09.2000 Az.: 5 F 134/00 – kein übergeleiteter Anspruch des Sozialamtes bei Verletzung der Unterhaltspflicht und Vernachlässigung durch den betreuungsbedürftigen Vater