Der Fall

Sie waren das typische, perfekte Ehepaar: Zwei Kinder, die kurz vor dem Abschluss ihres Studiums stehen, ein wunderschönes gemeinsames Haus, dessen Wert mit 720.000 Euro veranschlagt wird und das nahezu abbezahlt ist. 24 Jahre lang teilten sie Freud und Leid, wuchsen gemeinsam, durchlebten Hochs und Tiefs. Doch dann, wie aus heiterem Himmel, kam die Trennung. Ein halbes Jahr ist seitdem vergangen.

Die Ehefrau hatte während der Ehe teilweise gearbeitet und insgesamt sechs Jahre wegen der Kinder ausgesetzt. Als gelernte Altenpflegerin kehrte sie nun in ihren Beruf zurück und arbeitet in Teilzeit. Der Ehemann hatte Karriere bei einem großen multinationalen Konzern gemacht und verdient knapp 300.000 Euro im Jahr inklusive seiner Boni – netto immerhin fast 15.000 €. Eine gewaltige Einkommensdifferenz. Und nun, nach der Trennung, verlangt sie Unterhalt. Aber wie genau wird dieser Unterhalt berechnet?

Die momentane Unterhaltsberechnung ist nur eine Momentaufnahme. Bei den unterschiedlichen Einkünften hat der Ehemann die Steuerklasse III und die Ehefrau die Steuerklasse V. Aber Vorsicht: Nach dem Trennungsjahr muss ein Steuerklassenwechsel erfolgen. Es mag verlockend sein, das Finanzamt in dem Glauben zu lassen, man lebe noch zusammen, um die „günstigen“ Steuerklassen zu behalten. Doch das wäre nichts anderes als Steuerhinterziehung, und davor muss gewarnt werden. Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch, weil der andere Ehepartner aus Frust eine Anzeige erstatten könnte.

Die Ehefrau fordert nach der Trennung aufgrund der hohen Einkommensdifferenz Unterhalt in Höhe von rund 5.000 Euro. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach ihr die Hälfte der Einkommensdifferenz zusteht.

Die Ansicht der Gerichte

Die Familiengerichte haben inzwischen die Praxis akzeptiert, dass der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf auf rund 4.950 Euro pro Monat begrenzt und keinen höheren Unterhaltsbedarf geltend macht. Die Familiengerichte haben beispielsweise festgestellt, dass eine konkrete Bedarfsberechnung nicht erforderlich ist, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf als Quote verlangt, solange dieser die Hälfte des Einkommens nicht übersteigt.

Nach einer Entscheidung des BGH entfällt die tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens nicht, selbst wenn das Familieneinkommen das Doppelte des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle (11.000 €) übersteigt.

Möchte der Unterhaltsberechtigte jedoch einen höheren Bedarf geltend machen, muss dieser entweder konkret dargelegt werden, oder es wird das tatsächliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzüglich der tatsächlichen Sparquote belegt und daraus der Quotenunterhalt ermittelt. Es muss dabei allerdings beachtet werden, dass ein Einkommen von über 11.000 Euro nicht automatisch bedeutet, dass der Unterhaltsberechtigte einen Unterhalt nach der Einkommensquote abzüglich Sparquote beanspruchen kann.

Der letzte Absatz wird allerdings häufig in der Praxis übersehen und von dem Rechtsanwalt des Ehemannes wird entweder zu wenig dazu vorgetragen, welche Sparquote während der Ehezeit praktiziert wurde oder das Problem liegt bei den Beteiligten selbst, weil Sparquote während der Ehezeit nicht hinreichend dokumentiert worden ist. Dabei ist im Sinne einer gerechten Entscheidung natürlich zu berücksichtigen, dass nur der Teil des Einkommens für den Unterhalt zur Verfügung stehen soll, der während der Ehezeit auch zu Konsumszwecken verwendet worden ist, nicht aber zur Vermögensbildung. Bei besseren Einkommensverhältnissen ist aber die Vermögensbildung die Regel. Diesen Gedanken haben einige Oberlandesgerichte sogar in ihre Leitlinien aufgenommen

Besonders aufschlussreich sind die Leitlinien des OLG Frankfurt am Main. Laut Ziffer 15.3, dritter Absatz, kann der Unterhaltsbedarf durch Darlegung des Gesamteinkommens sowie der Aufwendungen zur Vermögensbildung bestimmt werden.

Aber nicht nur in Frankfurt gilt dieser Ansatz Methode. Das Oberlandesgericht Köln führt ihn seit 2018 ebenfalls in seinen Leitlinien. Wenn also Aufwendungen für Vermögensbildung gut zu erklärt und belegt werden, kann die Bereinigung des Einkommens um den Vermögensbildungsanteil erfolgen, wodurch sich die Unterhaltsberechnung maßgeblich verändert.

Der Bundesgerichtshof billigt dies ebenfalls, wie in dem Beschluss vom 25.09.2019 – XII ZB 25/19, Rn 30 zu lesen ist.

Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig eine sorgfältige Berechnung Anhand der individuellen Lebenssituation der Beteiligten ist, um sicherzustellen, dass beide Parteien fair behandelt werden. Denn am Ende des Tages ist es das, was zählt: Fairness und Respekt, auch wenn die Liebe verblasst ist.

Rechtsanwalt Jürgen Wabbel
Rechtsanwalt Jürgen Wabbel
Fachanwalt für Familienrecht & Erbrecht, Mediator in Braunschweig