Mängel anzeigen – aber richtig!

Als Bauherr steht man oft vor einer Fülle von Herausforderungen und Entscheidungen, die das Bauprojekt betreffen. Eines der häufigsten Probleme, denen Bauherren gegenüberstehen, sind Baumängel. Diese können nicht nur die Ästhetik und Funktionalität eines Gebäudes beeinträchtigen, sondern auch zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf das Thema Baumangel, die Mängelrüge und die Symptomrechtsprechung anhand eines realen Beispiels.

 

Der Ausgangsfall:

Herr Müller hat vor kurzem ein neues Haus gebaut. Nach einigen Monaten bemerkt er, dass sich Risse in den Wänden bilden und sich die Türen nicht mehr richtig schließen lassen. Außerdem hat Herr Müller den Dachdecker beobachtet und festgestellt, dass dieser bei der Abdichtung des Daches eine Dampfsperre einbringt, was ihm „komisch“ vorkommt. Ein befreundeter Handwerker hat ihm daraufhin mitgeteilt, dass das so „nicht in Ordnung“ sei.  Herr Müller ist kein Bausachverständiger. Er sieht nur die Risse in der Wand seines schönen neuen Hauses und stellt fest, dass die Türen nicht schließen. Worauf all dies zurückzuführen ist, weiß er aber nicht. Irgendwelche Probleme mit der Abdichtung des Daches bemerkt Herr Müller nicht, ist aber wegen des Hinweises seines Freundes verunsichert.

Die Problemstellung:

Nach der sog. „Symptomrechtsprechung“ des BGH (Urteil vom 26.03.1992 – VII ZR 258/90) reicht es zur Geltendmachung von Mängelansprüche aus, die aufgrund eines Mangels auftretenden Symptome zu beschreiben. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof wiederholt bestätigt, weil immer wieder zu hohe Anforderungen an den Inhalt der Mängelrüge gestellt werden.

Nach dem BGH (vgl. etwa Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZR 261/18) genügt bei Mängelansprüchen der Besteller den Anforderungen an ein hinreichend bestimmtes Mangelbeseitigungsverlangen wie auch an eine schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen.

Für Herrn Müller bedeutet dies, dass es für eine wirksame Mängelrüge erforderlich ist, aber auch ausreicht, wenn er dem verantwortlichen Werkunternehmer mitteilt, dass sich Risse in den Wänden bilden und sich die Türen nicht mehr richtig schließen lassen und ihn auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist, diese Mängel zu beseitigen.

Selbst wenn Herr Müller eine bestimmte Ursache für die jeweiligen Mängel zu kennen glaubt, sollte er sich darauf beschränken, die Symptome zu rügen und nicht auf eine bestimmte Ursache abzustellen. Denn: Eine solche (symptomatische) Mängelrüge umfasst sämtliche Ursachen, die zum Erscheinungsbild des Mangels führen. Dies gilt auch dann, wenn die angegebenen Symptome nur an einigen Stellen in Erscheinung getreten sind, tatsächlich der Mangel aber auch an anderen Stellen vorliegt. So hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 24.8.2016 — Az. VII ZR 41/14) beispielsweise entschieden, dass die Rüge von sich symptomatischen zeigenden Mängeln in Form von Feuchtigkeit nicht nur hinsichtlich der Bereiche „wirkt“, in denen die Feuchtigkeit tatsächlich bereits aufgetreten war, sondern den Mangel (hier: Undichtigkeiten) für das gesamte Gebäude erfasst. Und weiter: Nachdem zunächst lediglich Undichtigkeiten im Bereich der sog. „weißen Wanne“ gerügt worden waren, wurden später Ansprüche wegen weiterer mangelhafter Dehn und Arbeitsfugen im Bereich außerhalb des im Rahmen der Mängelrüge näher bezeichneten Bereichs der weißen Wanne geltend gemacht. Auch dies zu Recht wie der BGH befand, weil die Mängelrüge wirklich alle Mängelursachen für den (symptomatisch) gerügten Mangel erfasst.

Wenn stattdessen nur eine (ggf. auch nur vermeintliche) Ursache gerügt wird, sind sämtliche anderen Ursachen nicht von der Rüge (und dann also auch von der späteren Klage bzw. dem späteren Beweisverfahren) nicht umfasst.

Und es passiert nicht selten, dass ein Sachverständiger in einem Prozess eine andere als die vermutete Ursache für das gerügte Symptom feststellt.

Und auch wegen der Arbeiten des Dachdeckers kann und sollte Herr Müller tätig werden. Denn auch, wenn sich ein Mangelsymptom – z.B. Durchfeuchtungen – noch nicht gezeigt hat, begründen allein der Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik und eine damit einhergehende Schadengeneigtheit Mängelgewährleistungsansprüche. Bei den allgemein anerkannten Regeln der Technik handelt es sich um den Standard, der nach dem Verständnis der Fachkreise und in der Folge praktischer Erfahrungen für die Erbringung einer ordnungsgemäßen Werkleistung zwingend eingehalten werden muss. Dies hat zur Folge, dass die (bloße) Nichteinhaltung dieser Regeln grundsätzlich einen Werkmangel unabhängig davon begründen, ob sie sich im Einzelfall schon nachteilig ausgewirkt haben.

Das Dicke Ende kommt zum Schluss!

Diese Ausführungen zeigen, welche immense Bedeutung einer ordnungsgemäßen Mängelrüge mit Fristsetzung zukommt. Wurden Mängel nicht in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bundesgerichtshofs gerügt, können auf eine solche – unwirksame – Mängelrüge später keine weitergehenden Rechte gestützt werden. Und das Schlimmste: Oft wird die fehlerhafte Mängelrüge erst zu einem Zeitpunkt bemerkt und thematisiert, zu dem es zu spät ist, z.B. wenn der Bauherr in einem Gerichtsverfahren auf die Mängelrüge aufbauende Rechte (Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung, Rücktritt, Schadenersatz) geltend macht und dann erfährt, dass ihm diese nicht zustehen, weil er Monate oder gar Jahre früher den jeweiligen Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt hat.

Im Zweifel ist es daher ratsam, sich bereits bei der Anzeige von Mängeln gegenüber dem Werkunternehmer und dem Abhilfeverlangen mit Fristsetzung von einem im Baurecht versierten Rechtsanwalt unterstützen zu lassen. Sowohl bei der symptomatischen Beschreibung eines Mangels, die den Mangel hinsichtlich seines äußeren objektiven Erscheinungsbildes jedenfalls so genau beschreiben muss, dass der Auftragnehmer zweifelsfrei ersehen kann, was im Einzelnen beanstandet wird bzw. welche Abhilfe von ihm verlangt wird  und sich nicht auf plakative bzw. vage Begrifflichkeiten beschränken darf als auch bei der Rüge (noch symptomloser) Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik, lauert der Teufel im Detail.